Texte.pdf


Schuld sind die Pillen


Francis Fukuyamas Buch "Das Ende des Menschen"
Der Name täuscht: Francis Fukuyama ist ein waschechter Amerikaner. Vor fünfzig Jahren in Chicago geboren, lehrt er heute politische Ökonomie an der John-Hopkins-Universität in Baltimore und berät zudem den amerikanischen Präsidenten in Fragen der Bioethik. Weltweit bekannt wurde der amerikanische Politologe allerdings um die Jahrtausendwende. In zwei umstrittenen Büchern erklärte er damals, warum es mit der amerikanischen Moral und Gesellschaft unaufhaltsam bergab gehe. Inzwischen ist Fukuyama, der sich selbst als "moralisch eher konservativ" charakterisiert, in den USA eine Art intellektueller Popstar geworden, und sein neuestes Buch, "Das Ende des Menschen", steht auch hier zu Lande auf den Bestsellerlisten. Es könnte zum Kultbuch werden, eine Art apokalyptischer und dennoch realistisch anmutender Science-Fiction-Roman. Fukuyama nimmt sich die Biotechnologie vor, ihre Auswirkungen auf die Politik und auf den Menschen selbst. Nach seiner Meinung geht es nun nicht mehr nur moralisch bergab, die Menschheit wird gar an sich selbst scheitern - und schuld an allem sind die Pillen. Was einmal, so prophezeit der Politikprofessor, durch die Gentherapie machbar sein wird, wird heute bereits bewerkstelligt durch die Neuropharmakologie. Als eindrückliche Beispiele für seine These wählt er zwei der bekanntesten, aber auf Grund ihrer Nebenwirkungen auch umstrittenen Psychopharmaka, die unmittelbar auf das neurologische System einwirken: die Glückspille Prozac und das Allheilmittel Ritalin. Ritalin wird zur Behandlung von Zuständen eingesetzt, die heute als hyperkinetisches Syndrom bei Kindern diagnostiziert werden. Das Leiden taucht hauptsächlich bei kleinen Jungen auf, denen es schwer fällt, in der Klasse still zu sitzen. Ritalin wirkt dadurch, dass es die Wiederaufnahme des wichtigen Botenstoffes Dopamin im Gehirn hemmt. Prozac hingegen ist ein Antidepressivum, das die Wiederaufnahme eines anderen wichtigen Neurotransmitters namens Serotonin hemmt. Wer Prozac schluckt, fühlt sich schlagartig rundum wohl, zufrieden und glücklich. Durch den erhöhten Serotoninspiegel steigt zudem das Selbstwertgefühl, so- dass Prozac auch die Persönlichkeit eines Menschen verändern kann. Heute nehmen etwa 28 Millionen Amerikaner, das sind zehn Prozent der Bevölkerung, Prozac und ähnliche Mittel. Da mehr Frauen als Männer unter Niedergeschlagenheit und geringer Selbstachtung leiden, ist Prozac gleichsam auch zu einem Symbol des Feminismus geworden. Frauen, die Prozac nehmen, wehren sich. Wegen ihrer verhaltensverändernden Eigenschaften sind die Mittel Gegenstand scharfer Kontroversen. Die Ritalin-Gegner, unter ihnen auch viele Ärzte, glauben nicht, dass es sich beim hyperkinetischen Syndrom überhaupt um eine Krankheit handelt. Sicherlich gibt es einzelne Fälle von pathologischer Hyperaktivität. Früher jedoch wären diese aufgeweckten Jungs eher als übermütig oder lebhaft bezeichnet worden. Manche Kritiker sagen, dass Ritalin eingesetzt wird, um nicht nur das Kind, sondern vor allem geplagte Eltern und gestresste Lehrer zu beruhigen. In seiner Wirkung auf das Gehirn ähnelt Ritalin etlichen illegalen Amphetaminen. Fukuyama vergleicht die Wirkung gar mit dem Rauschgift, das den Menschen in Aldous Huxleys Roman "Schöne neue Welt" verabreicht wird, damit sie passiv und konformistisch werden. Prozac und damit verwandte Mittel sind möglicherweise noch folgenreicher, meint Fukuyama. Da sie das Selbstwertgefühl verändern, verändern sie auch gesellschaftliche Normen. Derartige Medikamente werden, so postuliert der amerikanische Politologe, politische Konsequenzen haben: Die Wirkungen von Ritalin und Prozac liefern eine wohltuende Symmetrie. Ersteres macht die Jungen weniger jungenhaft, letzteres eliminiert die Depression bei den Frauen. Unmerklich bringen uns beide Mittel jenem androgynen Menschen näher, der das Ziel der zeitgemäß egalitären Geschlechterpolitik ist. Solche Entwicklungen in der Neuropharmakologie geben, so Fukuyama, lediglich einen Vorgeschmack auf das, was uns noch bevorsteht. Bevor das Ende des Menschen, wie wir ihn kennen, naht, sollten wir diesen Prozess aufhalten. Fukuyama schickt daher in nahezu jedem Kapitel seines Buches Mahnungen an die internationale Politik, die Biotechnik wirksam zu kontrollieren, um den Menschen und vor allem auch die Moral zu erhalten - am liebsten natürlich so, wie es in die Vorstellungen Fukuyamas passt. Obwohl er mit den wissenschaftlichen Fakten überzeugt, wirken seine moralischen Schlussfolgerungen manchmal doch etwas überzogen. Das "heile" Weltbild des Amerikaners mit japanischen Wurzeln, einer angelsächsisch-elitären Erziehung und asiatischen Tugenden wie Fleiß und Arbeitseifer steht dabei sehr im Vordergrund. Fukuyama mahnt am Ende seines Buches: "Wir müssen keine dieser unter einem falschen Banner der Freiheit stehenden Zukunftswelten akzeptieren. Wir müssen uns nicht für Sklaven eines unvermeidlichen technologischen Prozesses halten, wenn dieser Prozess nicht menschlichen Zielen dient."
Francis Fukuyama: Das Ende des Menschen. Deutsche Verlagsanstalt, München. 352 Seiten, 24,90 Euro.

SPIEGELSchöner neuer Mensch
Der amerikanische Starautor Francis Fukuyama widerruft die Hauptthese seines Bestsellers "Das Ende der Geschichte". In seinem neuen Buch behauptet er, dass es doch noch dramatische Umwälzungen geben könne: durch die Biotechnik. SPIEGEL: Das Buch, das Sie berühmt gemacht hat, heißt: "Das Ende der Geschichte". Es
handelt davon, dass es die ganz großen politischen Auseinandersetzungen nicht mehr geben
werde, da sich die liberale Demokratie durchgesetzt habe. In Ihrem neuen Buch widerlegen Sie sich selbst. Fukuyama: Tatsächlich hatte sich die liberale Demokratie am Ende des vergangenen
Jahrhunderts weitgehend durchgesetzt. Es gab eine Menge politischer Bewegungen - die Französische Revolution, die Bolschewiken in Russland, Mao in China, Pol Pot in Kambodscha - die wollten eine neue, absolut gerechte Gesellschaft schaffen. Aber sie sind alle gescheitert, sie sind alle gegen eine Mauer gerannt, errichtet durch die menschliche Natur. Denn die Menschen interessieren sich zum Beispiel mehr für ihre Familien als für den Kampf im Auftrag des internationalen Proletariats. SPIEGEL: Wollen Sie sagen, dass diese revolutionären Bewegungen auch an biologischen
Gründen gescheitert sind.
Fukuyama: Könnte man so sagen, ja. Ich glaube heute, dass es ein Ende der Geschichte
erst gibt, wenn es ein Ende der Wissenschaft gibt. Und das ist längst nicht in Sicht. Tatsächlich stehen wir erst am Anfang einer großen Revolution in der Biotechnologie. Die wichtigste Konsequenz dieser Revolution wird sein, dass wir die Natur des Menschen ändern können, also typische Verhaltensweisen und Fähigkeiten. Mit diesen neuen Menschen wären dann auch wieder ganz andere politische Umwälzungen möglich. Es gibt da sehr viele Risiken und Gefahren. Insofern: Die Geschichte geht weiter. SPIEGEL: Aber ohne den Menschen offenbar. "Das Ende des Menschen" heißt Ihr neues
Buch in Deutschland. Steht es wirklich so schlimm um uns? Fukuyama: Mit Ende meine ich nicht, dass der Mensch verschwindet. Ich meine eher die
Möglichkeit, dass der Mensch modifiziert wird und möglicherweise ganz anders sein wird als
der Mensch, den wir bis heute kennen.
SPIEGEL: Wenn Sie die Nachrichten sehen, täglich Krieg und Mord, kommt Ihnen da nicht
manchmal selbst der Wunsch nach einem neuen Menschen?
Fukuyama: Nein, eigentlich nicht. Selbst wenn man den Menschen von Aggressionen mittels
Drogen oder Biotechnik befreien könnte, würde ich es nicht empfehlen. Wir haben positive und negative Emotionen, und beides gehört zusammen. Wenn wir die negativen Emotionen nicht hätten, könnten wir auch die positiven nicht empfinden. Aggressionen einzudämmen ist SPIEGEL: "Schöne neue Welt", der Roman von Aldous Huxley aus dem Jahr 1932, zeichnet
das Bild einer Welt, in der die Menschen fröhlich-aufgekratzt dahinleben. Wird die Stimmung
schlechter, nehmen sie die Droge "Soma", und alles ist wieder gut. Das Buch hat Sie offenbar
angeregt, nun selbst einen Blick in unsere Zukunft zu werfen. Fukuyama: Ich habe "Schöne neue Welt" auf der High School gelesen, wie alle anderen
Teenager auch. Außerdem natürlich "1984" von George Orwell. Beide Bücher geben einen
ziemlich akkuraten Ausblick auf die beiden Technologien, die unser Dasein bestimmen und
noch mehr bestimmen werden: Biotechnik und Informationstechnik. "Schöne neue Welt" fand ich aber interessanter. Es war eine größere Herausforderung dahinterzukommen, warum eine Welt, die gut zu sein scheint und in der jeder glücklich wirkt, in Wahrheit eine schlechte Welt ist. Ich glaube, damals habe ich angefangen, über diese Dinge nachzudenken. SPIEGEL: Schauen wir uns die Welt an, die Sie in Ihrem neuen Buch entwerfen. Auch in
dieser Welt muss niemand mehr schlechte Laune haben.
Fukuyama: Das Soma unserer Gegenwart und unserer Zukunft heißt "Ritalin". Eigentlich soll
es extrem hyperaktive Kinder beruhigen, vor allem Jungs. Aber tatsächlich wird es mehr und
mehr verwendet wie Soma in "Schöne neue Welt", als Mittel sozialer Kontrolle, damit Menschen leichter zu steuern und in eine Gemeinschaft zu integrieren sind. Sie sollen sich anpassen. In einigen amerikanischen Schulen bekommen 50 Prozent der Kinder Ritalin, und manchen wird gedroht, sie müssten die Schule verlassen, wenn sie es nicht nehmen. SPIEGEL: Sie schreiben, mittels dieser Medikamente würden sich Männer und Frauen in
Zukunft immer ähnlicher werden.
Fukuyama: Mehr und mehr Frauen nehmen "Prozac", ein Anti-Depressivum, das in den USA
eine Art feministische Medizin geworden ist. Denn das klassische Problem von Frauen ist
niedrige Selbstachtung. Feministinnen feiern die Tatsache, dass Prozac die Selbstachtung von Frauen steigert und sie es mit Hilfe der Tabletten zum Beispiel schaffen, sich von übel wollenden Ehemännern zu lösen und eine Berufskarriere zu starten. Insofern bringen Ritalin und Prozac beide Geschlechter zu ähnlichen Verhaltensmustern: Die Männer sind weniger aggressiv, die Frauen sind selbstbewusster. SPIEGEL: Klingt nach einer politisch korrekten Welt.
Fukuyama: Genau. Ich habe nichts dagegen, dass Frauen selbstbewusster werden und
Jungs still sitzen können. Aber wenn die Natur Männer und Frauen nicht mit den exakt
gleichen Eigenschaften ausstattet, warum sollen wir das dann korrigieren? Das ist ja das Hauptproblem bei den Manipulationen am Menschen: Wenn uns irgendein Aspekt an der Persönlichkeit nicht gefällt, dann bauen wir den Menschen so um, wie es der gerade herrschenden Ideologie oder dem politischen Trend entspricht. Kommt die nächste Ideologie, wird alles wieder umgebaut. SPIEGEL: Welcher Menschentypus könnte sich denn als Erstes durchsetzen?
Fukuyama: Es könnte jemand sein, wie der "Letzte Mensch", den Nietzsche beschreibt:
Jemand, der leicht zufrieden zu stellen ist, der keine großen Wünsche hat, keine großen Ziele,
keine inneren Kämpfe. Eine Art mittelmäßige Existenz, der friedliche Bürger eines demokratischen Landes, in dem wenig passiert, wenig vorankommt. Gesellschaften, in denen es keinen Wettbewerb und keine Aggressionen gibt, stagnieren und sind unfähig zu Innovationen. SPIEGEL: Man könnte ja auch fragen: Was spricht gegen Friedlichkeit? Ein Hitler unter
Ritalin, ein Stalin - das vergangene Jahrhundert wäre friedlicher gewesen.
Fukuyama: Man könnte das die tragische Situation des Menschen nennen: Wie ich eingangs
schon sagte, alle guten Dinge sind mit den schlechten Dingen verbunden. Es ist möglich, dass
Napoleon oder Cäsar von ähnlichen Kräften angetrieben wurden wie Beethoven oder van Gogh. All diese Leute hatten außergewöhnliche Ambitionen, es waren keine normalen, gut ausbalancierten Leute. Ich glaube, dass alles, was außergewöhnlich ist im menschlichen Charakter, alles was außergewöhnlich ist in der menschlichen Geschichte, ein Ergebnis ist von Ehrgeiz, Aggression, Gefühlen, großen Sehnsüchten, dem Wunsch, etwas zu erreichen, was man noch nicht hat. Die Tabletten, über die ich gesprochen habe, würden das alles auslöschen. SPIEGEL: Napoleon und Beethoven im selben Atemzug zu nennen, ist mutig
Fukuyama: Sehen Sie, es gibt da wirklich Zusammenhänge. Ich sage Ihnen ein Beispiel.
Unsere Vorfahren, die Affen, entwickelten irgendwann die Fähigkeit, in Gruppen zu
kooperieren, und dann sind diese Gruppen in Wettbewerb getreten mit anderen Gruppen. Schimpansen verhalten sich immer noch so - und auch die Straßengangs von Los Angeles oder die Stämme in Afghanistan. Da sehen Sie, wie das Gute und das Böse gekoppelt ist. Sich in Gruppen zusammenzuschließen heißt einerseits, soziale Fähigkeiten zu entwickeln, andere Menschen zu respektieren, ihnen zu helfen. Andererseits wollen sich die Gruppen abgrenzen, suchen Wettbewerb bis hin zum Krieg. Wir bekommen das eine nur in Verbindung mit dem anderen. SPIEGEL: In Ihrem Buch sehen Sie die Möglichkeit neuer Kriege heraufziehen, einen Krieg
um Gene zum Beispiel.
Fukuyama: Das ist etwas, was uns große Sorgen machen sollte. Wenn es eines Tages
möglich wäre, durch genetische Manipulationen Intelligenz zu verbessern, Gedächtnis oder
Aussehen, dann werden vor allem reiche Leute Zugang dazu haben. Sie können ihre Kinder intelligenter und schöner machen, und ich glaube kaum, dass sich die genetisch Unterprivilegierten das gefallen lassen. In unseren reichen, selbstzufriedenen, demokratischen Gesellschaften gibt es wenig politische Themen, die die Bürger wirklich aufregen. Aber die Aussicht großer genetischer Ungleichheit könnte die Leute vom Sofa holen und zum Protest auf die Straßen treiben. SPIEGEL: Intelligenz oder Schönheit sind doch jetzt schon ungleich verteilt.
Fukuyama: Ja, aber jetzt gibt es eine Art genetischer Lotterie. Die genetischen
Eigenschaften werden nach dem Zufallsprinzip von einer Generation auf die andere verteilt. Wenn Sie also eine brillante Persönlichkeit sind und einen hohen Intelligenzquotienten haben, garantiert Ihnen das nicht, dass Ihr Kind ebenfalls sehr intelligent sein wird. In gewisser Weise werden die Würfel in jeder Generation neu geworfen. Durch Biotechnik können die Würfel manipuliert werden. Es gewinnt dann immer nur die Gruppe derer, die sich genetische SPIEGEL: Bis es irgendwann zu einer neuen Art von russischer Revolution kommt: für die
genetische Gleichheit.
Fukuyama: Auf jeden Fall könnte die Forderung nach einem starken, für genetische
Gleichheit sorgenden Staat laut werden. Die Unterprivilegierten wollen dann einen Staat, der
ihnen die gleiche Chance auf gute Gene einräumt wie den Reichen. SPIEGEL: Eine neue Form von Staatssozialismus also.
Fukuyama: Wenn Sie es so nennen wollen. Zu einer liberalen Demokratie passt jedenfalls
nicht, dass der Staat gleichsam den Genpool seiner Bevölkerung kontrolliert. SPIEGEL: So wie der Staat in "Schöne neue Welt".
Fukuyama: China, Südkorea, Singapur und andere asiatische Nationen haben nicht die
ethischen Bedenken, die wir haben. Deshalb beschränken sie die Forschung auch nicht so stark, wie es in Europa oder den Vereinigten Staaten geschieht. Viele asiatische Länder investieren gezielt in Biotechnik, um in diesem Sektor führend zu sein. Die Chinesen zum Beispiel besorgen sich die Organe, die sie für die Forschung brauchen, bei ihren hingerichteten Häftlingen. Eines Tages könnten sie damit beginnen, ihre Bevölkerung genetisch zu verbessern, während wir noch diskutieren, was erlaubt sein soll und was nicht. Stellen Sie sich einmal vor, was das für die internationalen Beziehungen bedeutet. Fukuyama: Andererseits verspricht die Biotechnik ja auch Vorteile für jedermann: die
Hoffnung auf ein Leben ohne Krankheiten, ohne Schmerzen, ohne Behinderungen.
Fukuyama: Natürlich, dagegen ist auch überhaupt nichts zu sagen. Es gibt gute Gründe, die
Biotechnik weiterzuentwickeln, damit neue Therapien möglich werden. Problematisch sind
Verbesserungen des Menschen in seiner Substanz. Ein einfaches Beispiel: Es gibt eine Menge Leute, die sagen, es kann doch nicht verkehrt sein, die Menschen intelligenter zu machen. Dagegen kann man kaum etwas haben. Aber nehmen wir ein anderes Beispiel: Es könnte ja sein, dass Homosexualität genetisch bedingt ist, und mittels Biotechnik ein Verfahren entwickelt wird, dieses Gen problemlos und billig auszuschalten. Was würde wohl passieren? SPIEGEL: Die allermeisten Eltern würden sich wahrscheinlich gegen dieses Gen entscheiden.
Fukuyama: Vielleicht würden sie es nicht offen zugeben, aber in der Verschwiegenheit der
Arztpraxis würden sie sich gegen Homosexualität entscheiden. Eltern wollen Großeltern
werden, sie wollen, dass ihr Kind normal ist und nicht von irgendjemandem als irgendwie anders angesehen wird. Also gäbe es in der Gesellschaft der Zukunft keine Homosexuellen mehr. Aber wäre das eine Verbesserung? Wohl kaum. Genauso gibt es eine Menge anderer Bereiche, die mit Persönlichkeit und Gefühlen zu tun haben, in der wir versucht sein könnten, das scheinbar Schlechte zu eliminieren und das scheinbar Gute zu erhalten. Da sind wir am selben Punkt wie beim Thema Medikamente. Wir sollten also gar nicht erst damit anfangen, den Menschen verbessern zu wollen, auch wenn scheinbar viel dafür spricht, wie bei der "Wenn uns irgendein Aspekt an einem Menschen nicht gefällt, dann bauen wir ihn
gemäß der herrschenden Ideologie um."
SPIEGEL: Wäre es nicht ein großer Fortschritt, Schmerz aus dem menschlichen Dasein zu
eliminieren?
Fukuyama: Auch beim Thema Schmerz ist das Gute mit dem Bösen verbunden. Wie wollen
Sie Mitgefühl oder Mitleid empfinden, wenn Sie nicht wissen, nicht persönlich erlebt haben,
wie sich Schmerz anfühlt. Die Fähigkeit, das Leid anderer nachempfinden zu können, zählt zu den edelsten Eigenschaften des Menschen. SPIEGEL: In Ihrem Buch erwähnen Sie auch die Möglichkeit, dass es eines Tages Schimären
geben könnte, Mischwesen aus Mensch und Tier.
Fukuyama: Ich will das nicht überbewerten. Ich glaube nicht, dass irgendjemand Schimären
züchtet, die dann als Sklaven für Menschen arbeiten oder Ähnliches. Aber was passieren wird, ist, dass Forscher damit beginnen, menschliche Gene in Tiere zu verpflanzen. Zum Beispiel konzentrieren sich einige Stammzellenforscher im Moment darauf, Ersatzorgane zu züchten; Herz, Leber, was auch immer. Es werden also eigens Tiere gezüchtet, die menschliche Gene tragen, damit sich die Organe später besser an den menschlichen Körper anpassen. Mir macht die Möglichkeit solcher Hybridgeschöpfe große Sorgen. Zum Beispiel stellt sich die Frage, was ist der moralische Status dieser Geschöpfe? Behandelt man sie wie alle anderen Tiere auch, das heißt, kann man sie züchten, töten, mit ihnen experimentieren? Oder gestehen wir ihnen eine Art Menschenwürde zu, die sie vor solcher Behandlung schützt? SPIEGEL: Das scheint eines der Hauptthemen der Welt nach dem "Ende des Menschen" zu
sein: Wie sind die Verhältnisse der Geschöpfe zueinander definiert? Zum Beispiel stellt sich
auch die Frage, welches Verhältnis Eltern zu geklonten Kindern haben und umgekehrt.
Fukuyama: Das ist nicht leicht zu beurteilen, aber ich nehme an, dass Klonen ziemlich
ungesunde Verhältnisse innerhalb einer Familie schaffen kann. Ein Kind, das auf natürliche Weise gezeugt wurde, hat eine symmetrische Beziehung zu beiden Elternteilen. Es stammt genetisch zu je 50 Prozent von beiden ab. Ein geklontes Kind dagegen stammt zu 100 Prozent von einem Elternteil ab und zu null Prozent vom anderen. Das schafft eine ziemlich schiefe Beziehung. Und noch etwas: Wenn ein solches Kind aufwächst, wird es in jeder Etappe seines Lebens mit dem Elternteil verglichen, dessen Klon es ist. Wenn das Kind erfolgreich ist, wird es heißen: Das sind deine Gene. Wenn es nicht erfolgreich ist, wird es heißen: Warum bist du nicht so wie dein Vater oder deine Mutter? SPIEGEL: Die größte Bewohnergruppe der neuen Welt werden die Alten sein. Mit welchen
Fukuyama: Mit 25 bis 30 Jahren haben die meisten Menschen eine Weltsicht entwickelt, die
sich danach kaum noch ändert. Deshalb zum Beispiel erneuert sich Politik in generationellen Zyklen. Wenn eine neue Generation an die Schaltstellen der Macht vorrückt, verändert sie die Politik. Wenn die Menschen immer älter werden, leben nicht gleichzeitig drei Generationen, sondern vier, fünf. Das wird den Wechsel stören. 60-Jährige, die sich dank neuer Medikamente oder genetischer Manipulationen jung fühlen und die Aussicht haben, noch 50 Jahre zu leben, werden kaum abtreten wollen. Das führt zu Stillstand. Die Kohorten der Jungen, die ausgestattet sind mit neuen, anderen Ideen, sind blockiert, und damit sind auch Wandel und Innovation in der Gesellschaft aufgehalten. Das könnte verheerende Folgen haben. Sie sehen das an totalitären Staaten, wo es keinen Mechanismus gibt, den Diktator loszuwerden, Fidel Castro auf Kuba zum Beispiel oder Kim Jong Il in Nordkorea. Sie müssen buchstäblich warten, bis er stirbt, bevor sich irgendetwas ändern kann. "Die Politiker müssen die Entscheidungen treffen, nicht die Wissenschaftler, nicht
der Markt. Wir alle sind verantwortlich."

SPIEGEL: Oder es gibt Krieg, einen Krieg der Generationen, wie Sie befürchten.
Fukuyama: Die Tendenz dazu gibt es ja schon. Mir macht etwas anderes aber mehr Sorge.
Überalterung heißt ja auch, dass Arbeitskräfte importiert werden müssen, weil sonst die
Produktion und die Wohlfahrtssysteme zusammenbrechen. Es kommen dann in der Regel
junge Männer, dynamisch, ehrgeizig, erlebnishungrig. Sie treffen auf eine einheimische Bevölkerung, die zum großen Teil aus alten Frauen besteht. Sie sind vorsichtig, ruhebedürftig, tendenziell ängstlich. Es wird eine der schwierigsten Aufgaben der Politik sein, eine Gesellschaft mit so verschiedenen Bedürfnissen zusammenzuhalten. Der Erfolg von Rechtspopulisten in Europa, wie Le Pen oder Haider, zeigt, wie wichtig Integrationspolitik jetzt schon ist, und sie wird noch wichtiger werden. SPIEGEL: Sieht so aus, als kämen eine Menge großer Aufgaben auf die Politiker zu. Sind sie
Fukuyama: Es ist wichtig, dass die Politiker in den demokratischen Gesellschaften die
wichtigen Entscheidungen über die menschliche Zukunft treffen, nicht die Wissenschaftler, nicht der Markt. Die demokratische Gemeinschaft als Ganzes muss sich hier verantwortlich fühlen. Sie muss die Entscheidung treffen, welche Eingriffe in das Genom zulässig sind und welche nicht. Der Staat muss dann diese Auflagen durchsetzen. SPIEGEL: Aber wie will man Wissenschaftler oder Ärzte kontrollieren? Zum Beispiel die
Anhänger des Sektenführers Claude Vorilhon, genannt Rael, in Kanada sind angeblich schon
Fukuyama: So ziemlich alle zivilisierten Länder haben das Klonen von Menschen verboten.
Natürlich wird es trotzdem Leute geben, die das machen. Es gibt ja auch Mörder, obwohl das Morden verboten ist. Und trotzdem ist das Verbot sinnvoll. Wahrscheinlich ist es tatsächlich nicht möglich, die Forschung zu begrenzen. Aber das ist auch nicht der Punkt. Wichtiger ist, dass man die Anwendung von Forschungsergebnissen begrenzt. Nicht alles, was erforscht wird, muss auch angewendet werden. Zum Beispiel könnte Deutschland durchaus Atombomben bauen. Aber Deutschland baut keine Atombomben. Diese Selbstbeschränkung funktioniert also. Ich bin da optimistisch. Wir müssen nur sehr auf der Hut sein. SPIEGEL: Herr Fukuyama, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Mit Ritalin und Prozac gefügig für die Globalisierung?
Artikel 18: Zeit-Fragen Nr. 17 vom 22 4. 2002
Aufgrund der verheerenden Nebenwirkungen und Gefahren von Ritalin müssen wir uns fragen, wie es kommt, dass dieser Stoff dermassen propagiert wird, dass seine Nebenwirkungen heruntergespielt und Kritiker angegriffen werden. Finanzielle Interessen von Novartis sind sicher im Spiel. Weltweit nehmen gegenwärtig ungefähr zehn Millionen Kinder täglich das Mittel ein,1 und in Deutschland steht Ritalin auf Platz sechs der Liste der
meistverkauften Medikamente.2
Obwohl Ritalin als Betäubungsmittel nicht beworben werden darf,3 sponsert Novartis
«Selbsthilfegruppen», die das Mittel propagieren,4 sowie ganze Ärztekongresse und
Symposien.5 Die Botschaft lautet stets: «Die Behandlung von ADS/ADHS wird (mit etwas
begleitender Therapie und Elternberatung) in erster Linie durch die Anwendung von
Stimulanzien durchgeführt. Für die weitere Behandlung wird der Einsatz von Antidepressiva
diskutiert.» Novartis bezahlt auch Referenten, die auf Lehrerfortbildungen Ritalin anpreisen. Nicht einmal vor der direkten Beeinflussung von Kindern schreckt die Pharmafirma zurück. In einem farbig aufgemachten Bilderbuch lullt Novartis die Kleinen ein: «Die Tablette kann dir
bei den Schularbeiten, beim Lernen und beim Spielen helfen.»6
Der amerikanische Pharmakonzern Lilly, Hersteller des Antidepressivums Prozac, wird demnächst ein Ritalinkonkurrenzpräparat (Atomoxetin) auf den Markt bringen. Schon jetzt fördert und sponsert Lilly ein «Netzwerk betroffener Eltern, Lehrer und Ärzte», also von
potentiellen Kunden, allein im Jahr 2001mit 150000 Mark.7
Und dennoch sind die immensen Gewinne vermutlich nicht der einzige Grund für den Ritalinboom. Ganz andere Kreise scheinen mit der Verbreitung solcher psychoaktiver Substanzen eigene Ziele zu verfolgen. So schreibt Günther Amendt, Drogenapostel der 60er Jahre: «In der globalisierten und deregulierten Welt von morgen werden psychoaktive Substanzen [.] als Instrumente der sozialen Steuerung unabdingbar sein.» Der «neue Mensch» ist, so Amendt, «nur mit Hilfe psychoaktiver Substanzen [.] formbar». «Aufgabe der Pharmaindustrie in diesem Modernisierung genannten Prozess ist die Bereitstellung von psychoaktiven Substanzen.» - «Es geht auch um Produkte zur Regulierung des Sozialverhaltens beziehungsweise zur Eliminierung unerwünschter Verhaltensweisen. Die Psychodroge Ritalin ist das derzeit erfolgreichste Produkt in diesem Marktsegment.»8
Dass solche Absichten auch in US-regierungsnahen Kreisen diskutiert werden, legt der Harvard-Politologe Fukuyama9 offen. Nachdem er ohne jede Begründung die Globalisierung
unabdingbar hingestellt hat («kein Globalisierungsgegner hat eine alternative Vision
anzubieten»), spekuliert er weiter: «Alle totalitären Staaten haben in der Vergangenheit versucht, [.] den 'neuen Menschen' zu schaffen. [.] Mit dem Fortschritt in der Gentechnologie könnte nun eine neue Form der sozialen Kontrolle möglich werden [.] Und es ist gar keine abseitige Utopie, wenn man sich allein anschaut, in welchem Umfang in den USA bereits jetzt Psychopharmaka wie Prozac oder Ritalin eingesetzt werden, um Persönlichkeitveränderungen in weiten Teilen der Bevölkerung zu erreichen.»10
Bezeichnenderweise gehört Daniel L. Vasella, Präsident von Novartis, zu den Teilnehmern der
berüchtigten Bilderbergtreffen11, wo eine handverlesene, illustre Machtelite regelmässig -
fern jeder demokratischen Kontrolle - nirgends öffentlich diskutierte und nie demokratisch
legitimierte geostrategische Absprachen trifft. Wenn es den Macht- oder Geschäftsinteressen nutzt, verhandeln die Strategen an diesen Treffen vielleicht auch, mit welchen Methoden sie die Menschen daran hindern wollen, sich gegen Kriege und Ungerechtigkeiten und für ein demokratisches und friedliches Zusammenleben einzusetzen? «Ritalin ist ein Mittel, um spätere Friedensfähigkeit zu verhindern,» meint ein Ritalinkritiker. Ein anderer spricht vom «Opium-Krieg gegen unsere Kinder». Beverly Eakman, Gründerin des National Education Consortium warnt: «Es ist geplant, so viele Kinder wie möglich mit der
Droge Ritalin zu betäuben, weil das Mittel sie empfänglicher macht für Suggestionen und
dafür, Dinge zu tun, die sie normalerweise nicht tun würden.»12
Das wollen weder Eltern noch Kinder noch sonstige Bürger, die im Sinne des Gemeinwohls 1 Hüther, Gerald & Bonney, Helmut. Neues vom Zappelphilipp. Düsseldorf; Zürich 2002, S.
2 Das Zappelphilipp-Syndrom. Spiegel 11/2002 vom 11.3.2002, S. 220.
3 Aussage des Novartis-Vertreters (Telefonat vom 28.11.2000).
4 Novartis bezahlte einer «Selbsthilfegruppe Aufmerksamkeitsgestörter und Hyperaktiver» in
den USA namens CHADD (Children and Adults with ADHD) 900 000 Dollar, was der
Novartis-Sprecher sofort zugab (Telefonat vom 9.11.2000). 5 Hauptsponsor für das 4. Berner Symposium zur Kinder- und Jugendpsychiatrie zum Thema
ADHS am 29./30. Juni 2001 war Novartis (daneben Lilly). Ebenso sponserte Norvartis das
Symposium «Hyperkinetische Störungen» des Zentralinstitutes für Seelische Gesundheit
(Mannheim) in Ludwigshafen vom 28.9.2000, die Jahrestagung des Deutschen Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte zum Thema ADS in Karlsruhe vom Juni 2001 sowie die demnächst stattfindende Psychiater-Fortbildung in Basel vom 16. Mai 2002 zum Thema «ADHS im Kindes- und Erwachsenenalter». Mit dem Motto «ADHS, eine treue Begleiterin ein ganzes Leben lang» wird hier bereits auf eine lebenslängliche (für die Pharmaindustrie vorteilhafte) «Pharmako-Therapie mit Stimulanzien und/oder 6 Krake Hippihopp. Wie der Krake das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) erklärt wurde.
Nürnberg: Novartis Pharma Verlag, 2001.
7 Gessler, Katharina & Meyer-Wellmann, Jens: Das «Lilly»-Projekt: Hilfe für Kinder?
«Hamburger Abendblatt», 31.8.01.
8 Amendt G. Ohne Drogen keine Zukunft. Psychoaktive Substanzen zwischen Ächtung und
Akzeptanz. «Neue Zürcher Zeitung», 12./13. August 2000, S. 90.
9 Fukuyama gehörte in den achtziger Jahren zum Planungsstab des US-Aussenministeriums
und arbeitet heute für RAND, einen «think-tank», der das US-Verteidigungsministerium berät.
10 Fukuyama, Francis. Der neue Mensch am Ende der Geschichte. Die Welt am Sonntag,
11 http://www.bilderberg.org
12 O'Meara, Kelly Patricia. Ritalin Proven More Potent Than Cocaine - Nearly 10 Million Kids
Drugged. www.insightmag.com/archive/200110015.shtml.

Source: http://www1.uni-hamburg.de/psych-3/seminar/menschenbilder/menschenbilder03/brucks/texte/0512.pdf

Dear parents,

Swine Flu A number of parents and students have asked about the school’s position with respect to Swine Flu which is now being called A(H1N1). The following paragraphs have been provided by WSCC and give a clear picture of the current situation and really good advice about how students and parents need to respond. You can rely on the school to let you know promptly should there be any

Christiansen publikationsverzeichnis 08.201

Publikationsverzeichnis Prof. Dr. med. Hans Christiansen (Stand 08/2011) 1. Originalarbeiten (insgesamt 71 Originalarbeiten, davon 34 als verantwortlicher Erst- oder Letztautor, kumulativer Impact-Faktor [gelistete Journale]: 218,984 ; durchschnittlicher Impact-Faktor [gelistete Journale]: 3,174 ; die angegebenen Impact-Faktoren beziehen sich jeweils auf das Jahr des E

Copyright © 2010 Health Drug Pdf