Newsletter April 2012
Ihnen allen muntere und gesunde Osterfeiertage.
Ihre Rita Schulz-Hillenbrand Fachanwältin für Medizinrecht
Arzthaftungsrecht
1.) Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität der Pflichtverletzung durch Unterlassen
Besteht die Pflichtverletzung in einer Unterlassung, ist diese für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt regelmäßig der Geschädigte. Die haftungsbegrenzende Rechtsfigur des hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten kommt erst dann zum Tragen, wenn die Ursächlichkeit der durchgeführten rechtswidrigen Behandlung für den behaupteten Schaden festgestellt und mithin die Haftung grundsätzlich gegeben ist. BGH, Urteil vom 07.02.2012, Az: VI ZR 63/11
Hohes Schmerzensgeld nach einem zum Tod führenden groben Behandlungsfehler
Ein Schmerzensgeld von 40.000.- € ist gerechtfertigt, wenn ein Patient nach 5-monatiger Leidenszeit mit erheblichen Schmerzen und dem Bewusstsein des bevorstehenden Todes an den Folgen einer grob fehlerhaften ärztlichen Behandlung (Verkennung eines tiefen Weichgewebe- und Gelenkinfekts mit septischem Verlauf) verstirbt. OLG Köln, Urteil vom 21.09.2011, Az: 5 U 8/11 Quelle: RechtsCentrum Aktuell
Berufsrecht / UWG
Zahnbleaching und "Airflow-Verfahren" nur mit Zahnarzt
Das OLG Frankfurt am Main hat einer Zahnarzthelferin untersagt, in ihrem eigenen Zahnkosmetikstudio die Durchführung einer Zahnreinigung mittels "Airflow" und bestimmte
Zusammenwirken mit einem Zahnarzt anzubieten.
Geklagt hatte die Landeszahnärztekammer Hessen, die der Ansicht ist, die Beklagte übe in ihrem Studio durch diese Tätigkeiten Zahnheilkunde aus, was nach dem Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) den Zahnärzten vorbehalten sei. Die beklagte ausgebildete Zahnarzthelferin, die hauptberuflich bei einem Zahnarzt angestellt ist und das Zahnkosmetikstudio seit einigen Jahren zusätzlich betreibt, ist der Meinung, bei den von ihr angebotenen Dienstleistungen handele es sich um rein kosmetische Anwendungen. Das LG Frankfurt am Main hatte die Klage abgewiesen.
Das OLG Frankfurt am Main hat der dagegen gerichteten Berufung stattgegeben und das Urteil des Landgerichts abgeändert.
Hiernach ist es der Beklagten nunmehr verboten, ohne Zusammenwirken mit einem Zahnarzt Zahnbleachings vorzunehmen, es sei denn das Bleaching erfolgt mit sog. "Massmarket-Produkten", bei denen der Wasserstoffperoxidgehalt 6% nicht übersteigt. Darüber hinaus ist es der Beklagten untersagt, selbstständig – also ohne Zusammenwirken
Wasserpulverstrahlgeräts ("Airflow") vorzunehmen.
OLG Frankfurt, Urteil vom 01.03.2012, Az: 6 U 264/10
Krankenversicherungsrecht
1.) Erektion ist kein Grundrecht Es gibt kein Viagra auf Kassenkosten - auch nicht für Behinderte. Der Kläger, der an Multipler Sklerose leidet, berief sich auf den Grundgesetzartikel 3, demzufolge niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf.
Potenzmittel wie Cialis, Viagra oder Levitra sind in Deutschland verschreibungspflichtig.
Auch behinderte Männer haben keinen Anspruch auf die Kostenerstattung für Potenzmittel durch ihre gesetzlichen Krankenkassen. Der vom Gesetzgeber gewollte Leistungsausschluss für Mittel wie Cialis oder Viagra diskriminiert Behinderte nicht. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz und die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung liege demnach nicht vor. Damit scheiterte die Klage eines 1961 geborenen Mannes, der an unheilbarer Multiplen Sklerose leidet. Weil die Nervenerkrankung bei ihm unter anderem zu Erektionsproblemen führt, kaufte er das Potenzmittel Cialis auf eigene Rechnung und beantragte im Januar 2007 bei seiner Krankenkasse die Übernahme der Kosten.
Die Kasse verwies jedoch auf die Gesundheitsreform von Anfang 2004. Seitdem sind all jene Arzneimittel aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen, bei welchen die "Erhöhung
der Lebensqualität im Vordergrund steht". Dazu zählen Medikamente zur Behandlung der erektilen Dysfunktion wie Cialis, Levitra, Viagra, Apomorphin und andere.
Das BSG meinte, der Gesetzgeber verletze seinen Gestaltungsspielraum jedenfalls nicht, wenn er angesichts der beschränkten Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung solche Leistungen ausschließt, die in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen.
Schon 2005 hatte das BSG auf ähnliche Klagen entschieden, dass der gesetzlich angeordnete Ausschluss von Medikamenten zur Stärkung der Manneskraft nicht gegen die in Artikel 2 des Grundgesetzes geschützte "freie Entfaltung der Persönlichkeit" verstößt.
BSG, Urteil vom 20.07.2010, Az: B 1 KR 10/11
2.) Erfolg der DAK-Gesundheit beim Landessozialgericht Die DAK habe bei der erstmaligen Erhebung eines Zusatzbeitrages im Februar 2010 ihre Versicherten ausreichend auf ihr Sonderkündigungsrecht hingewiesen. Das hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in einer rechtskräftigen Entscheidung festgestellt (Az.: L 1 KR 221/11). Für einen durchschnittlichen Versicherten sei bei der damaligen Information erkennbar gewesen, dass er wegen der Erhebung des Zusatzbeitrages die Mitgliedschaft kündigen könne, stellt das Gericht fest. Vertragsarztrecht
Delegation: „AGnES“ wird auf ganz Brandenburg ausgeweitet Um Landärzte vor allem in strukturschwachen Regionen Brandenburgs zu entlasten, sollen spezialisierte Krankenschwestern künftig einfache Behandlungen beispielsweise bei Hausbesuchen übernehmen. Das Modellprojekt „Arztentlastende, gemeindenahe, E-Health-gestützte, systemische Intervention “ – kurz: „AGnES“ genannt –, dass mit Krankenschwestern in Hausarzt- und Facharztpraxen und einem Medizinischen Versorgungszentrum in mehreren Regionen erprobt wurde, soll nun auf das ganze Bundesland ausgedehnt werden. Das hat Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack (Die Linke) angekündigt. Träger der Initiative ist die Arbeitsgemeinschaft „IGiB – Innovative Gesundheitsversorgung in Brandenburg“. Zu dieser hatten sich die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB), die AOK Nordost und die Barmer GEK zusammengeschlossen. „Das innovative Angebot nutzt die Möglichkeiten zur Delegation ärztlicher Leistungen, die erstmals im neuen GKV-Versorgungsstrukturgesetz verankert wurden“, erläuterte Tack. Da diese Regelungen für Brandenburgs Versorgungsstruktur nicht ausreichten, sei das „AGnES“-Modell entwickelt worden.
Informationen zum Modellprojekt „AGnES“: www.mugv.brandenburg.de
Sonstiges
Arbeitgeber muss persönliche Daten ausgeschiedener Arbeitnehmer von Homepage löschen
Das LArbG Frankfurt am Main hat entschieden, dass das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers verletzt wird, wenn ein Arbeitgeber persönliche Daten und Fotos des ausgeschiedenen Arbeitnehmers weiter auf seiner Homepage präsentiert.
Die Klägerin ist Rechtsanwältin und zudem im Besitz einer US-amerikanischen Anwaltszulassung. Sie war vom 01.05.2011 bis 31.07.2011 in der Steuerberater- und Anwaltssozietät der drei Beklagten tätig. Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin mit entsprechendem Profil als Rechtsanwältin der Kanzlei auf der Homepage der Sozietät geführt. Ferner wurde in dem News Blog der Homepage eine Webseite geführt, in der ebenfalls Profil und Foto der Klägerin dargestellt wurden, verbunden mit der Nachricht, dass sie das Anwaltsteam nun im Bereich Handels- und Gesellschaftsrecht verstärke. Beide Veröffentlichungen erfolgten mit Wissen und Wollen der Klägerin.
Nach dem Ausscheiden war die Klägerin weiter als Rechtsanwältin zugelassen. Sie wurde zudem Leiterin der Rechtsabteilung eines Unternehmens. Von ihren ehemaligen Arbeitgebern verlangte sie die Löschung ihrer persönlichen Daten auf beiden Websites. Die beklagte Sozietät löschte die Daten von ihrer Homepage, nicht aber von der Website im Rahmen des News Blogs. Die hiergegen beantragte einstweilige Verfügung war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich.
Die Berufung der Beklagten hatte vor dem LArbG Frankfurt am Main keinen Erfolg.
Auch das Landesarbeitsgericht war der Ansicht, dass die beklagte Sozietät die persönlichen Daten der Klägerin samt Foto von allen Seiten ihrer Internetpräsentation löschen müsse. Den Beklagten wurde für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 50.000 Euro angedroht.
Die Veröffentlichung greife nach Ende des Arbeitsverhältnisses unberechtigt in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Das veröffentlichte Profil habe werbenden Charakter. Bewusst würden durch Foto und Text die individuelle Persönlichkeit und die berufliche Qualifikation der Klägerin herausgestellt. Es entstehe der unzutreffende Eindruck, dass die Klägerin nach wie vor in der Sozietät arbeite. Dies führe auch zu Wettbewerbsnachteilen der Klägerin in ihrer Position als Rechtsanwältin. Potentielle Mandanten würden auf die Homepage der Beklagten verwiesen. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten an der Veröffentlichung der Daten der Klägerin nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gebe es nicht.
Hessisches LAG, Urteil vom 24.01.2003, Az: 19 SaGa 1480/11
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